Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewährung von Leistungen für Personen, die in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG vom 20. Juli 2001 eine Aufenthaltserlaubnis zur Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz erhalten oder beantragt haben (Leistungsrechtsanpassungsgesetz) vom 8. August 2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Deutsche Sozialgerichtstag e. V. (DSGT) dankt für die Gelegenheit, sich im Rahmen der Anhörung zum Gesetzesvorhaben zu beteiligen. Im Einzelnen nehmen wir wie folgt Stellung:

I. Vorbemerkung

Der DSGT weist wie bei einzelnen vorangegangenen Anhörungen darauf hin, dass auch hier die Anhörungsfrist zu kurz ist, um unter Einbeziehung der relevanten Expertise zu allen einzelnen Änderungsvorhaben dezidiert Stellung zu nehmen.

Der DSGT nimmt zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Änderung der Gewährung von Leistungen für Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG oder einer entsprechenden Fiktionsbescheinigung Stellung. Der Entwurf setzt eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages um. Betroffen sind hilfebedürftige Ukrainer und Ukrainerinnen, denen a) nach dem 31. März 2025 die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG erteilt wurde, b) nach dem 31. März 2025 eine entsprechende Fiktionsbescheinigung erteilt wurde, c) vor dem 1. April 2025 bereits eine anderweitige Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Die betroffenen Personen sollen nur noch leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sein, wobei eine Übergangsregelung laufende Bewilligungszeiträume des Bürgergeldbezugs (SGB II) oder der Sozialhilfe (SGB XII) unberührt lässt.

II. Generelle Anmerkungen zum beschränkten Rechtskreiswechsel

1. Keine inhaltliche Begründung

Es ist anzumerken, dass der Referentenentwurf (RefE) hinsichtlich der verfolgten Zielsetzung lediglich darauf verweist, dass die Festlegung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden soll. Welche materiellen Zielsetzungen mit dem Rechtskreiswechsel verfolgt werden, wird nicht näher erläutert. Der Gesetzesbegründung lässt sich lediglich negativ entnehmen, dass aufgrund des Rechtskreiswechsels Einsparungen nicht beziehungsweise nicht in nennenswertem Umfang erwartet werden können. Die fehlende Begründung ist insofern relevant, als die Absenkung der zu gewährenden Leistungen gemäß § 3 AsylbLG gegenüber den das soziokulturelle Existenzminimum gewährleistenden Regelsätzen nach dem SGB II und SGB XII nicht willkürlich erfolgen kann, sondern einer sachlichen Rechtfertigung bedarf.

Sinn und Zweck der Eröffnung der Leistungsberechtigung nach SGB II und XII für den betroffenen Personenkreis war, dass eine Angleichung mit anerkannten Schutzberechtigten nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG (erfolgreiches Asylverfahren) erreicht werden sollte (BT-Drucksache 20/1768, 27). Das erscheint sinnvoll, denn es wäre kaum vermittelbar, warum Begünstigte der Massenzustrom-Richtlinie (RL 2001/55/EG) schlechter gestellt werden sollen, als Personen, die mit ihrem Asylverfahren erfolgreich waren. Für die Rücknahme dieser Gleichstellung wäre eine besondere Rechtfertigung und Begründung erforderlich, die hier ebenfalls fehlt.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erwächst aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Leistungsanspruch, der das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie gewährleistet, die sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst. Weil der Umfang der Leistungen nicht unmittelbar aus der Verfassung hergeleitet werden kann, sondern von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten abhängt, steht dem Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungen ein Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasst. Dabei muss der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf bemessen und das ermittelte Ergebnis fortwährend überprüfen und weiterentwickeln. Bei der Ausgestaltung eigenständiger Sicherungssysteme für ausländische Staatsangehörige darf der Gesetzgeber nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren, sondern allein nach einem signifikant von dem anderer Bedürftiger abweichenden Bedarf an existenznotwendigen Leistungen. Dieser muss folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden (vgl. Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 3 AsylbLG, Stand: 8. April 2025, Rn. 49)

b) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG können migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum begründen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10, BVerfGE 132, 134-179, Rn. 95).

c) Die regelhaft 36 Monate dauernden Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG, die abgesenkte Regelleistungen darstellen, werden vom Gesetzgeber damit gerechtfertigt, dass für die Dauer eines Asylverfahrens und für kurzzeitige und vorübergehende Aufenthalte nur abgesenkte Bedarfe bestehen würden (BT-Drucksache 20/10090, 22). Hier befinden sich die betreffenden Ukrainer und Ukrainerinnen aber schon nicht in Asylverfahren und ihr Aufenthalt wird prognostisch auch nicht kurzzeitig oder vorübergehend sein. Daher wäre eine besondere Rechtfertigung für die geplanten Leistungsabsenkungen unverzichtbar.

d) Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat vor diesem Hintergrund mit Beschluss vom 26. Januar 2021, L 8 AY 21/19, dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 2 S. 1 und 2 AsylbLG und § 3 Abs. 2 S. 5 i.V.m. Abs. 1 S. 5 und 8 AsylbLG in der 2018 geltenden Fassung überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das entsprechende Verfahren 1 BvL 5/21 ist noch nicht abgeschlossen.

e) Soweit der Rechtskreiswechsel mit der Erwartung verbunden würde, hierdurch könnte die Erwerbsintegration gefördert werden, bieten bisherige Studien hierfür keine empirischen Anhaltspunkte: Vgl. hierzu: Yuliya Kosyakova, Herbert Brücker 9|2024 IAB-FORSCHUNGSBERICHT Zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten aus der Ukraine: Eine Simulationsstudie, https://doku.iab.de/forschungsbericht/2024/fb0924.pdf). Hinsichtlich der ukrainischen Geflüchteten ist eine demographische Sondersituation gegeben: ca. 80% der Geflüchteten (einschließlich Kindern und Jugendlichen) sind weiblich, dies lässt sich durch migrationspolitische Faktoren erklären, insbesondere durch das Ausreiseverbot für wehrpflichtige Männer aus der Ukraine. Insbesondere der hohe Anteil von Alleinerziehenden sowie der vergleichsweise schlechte Gesundheitszustand der ukrainischen Geflüchteten wirken sich dämpfend auf die Entwicklung der Erwerbstätigenquoten aus, während das relativ hohe Bildungs- und Ausbildungsniveau sowie die zu erwartende Entwicklung der Sprachkenntnisse einen positiven Einfluss haben. Auf lange Sicht wird eine Erwerbstätigenquote von 55 % erwartet. Der Verzicht auf ein Asylverfahren wird von den IAB-Forschern als positive institutionelle Rahmenbedingung erachtet. Danach erreicht der Unterschied zwischen den Erwerbstätigenquoten von Personen mit und ohne Asylgesuch 12 Prozentpunkte bezogen auf einen Zeitraum von zehn Jahren nach dem Zuzug.

Hierbei könnte sich der Rechtskreiswechsel ausgesprochen kontraproduktiv auswirken: Die Betroffenen haben nun einen starken Anreiz, sich in Asylanträge zu flüchten, denn so können sie hoffen, dass sie schnell einen Aufenthalt erhalten, mit dem sie wieder ins Bürgergeld kommen. Andernfalls müssen sie die Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG abwarten. Da die Grundleistungen danach für mindestens 36 Monate gelten, ist die Chance, das Asylverfahren schneller erfolgreich zu durchlaufen sehr hoch. Es ist zudem kein Beleg ersichtlich, dass die Integrationsmaßnahmen der Jobcenter weniger geeignet sind, wenn man die demographischen Besonderheiten der Ukraine-Flüchtlinge berücksichtigt, zumal den Jobcentern flexible Instrumente zur Verfügung stehen und die Zuständigkeit nicht wie bei einem Rechtskreiswechsel zwischen Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern des AsylbLG aufgeteilt sind. Zusätzlich sind Reibungsverluste zu befürchten, da sich Verfahren und Trägerstrukturen erst auf den Rechtskreiswechsel einstellen müssen.

f) Nicht zuletzt greift nach dem Rechtskreiswechsel § 7 Abs. 5 AsylbLG, der lediglich einen Vermögensfreibetrag von 200 EUR gewährt. Der Gesetzentwurf fordert die Kommunen auf, diese Vermögensfreigrenze möglichst weitgehend zu nutzen, um Leistungsanträge abzulehnen („Dabei wird berücksichtigt, dass die Länder sämtliche Möglichkeiten zur Reduzierung, wie beispielsweise eine konsequente und bundesweit einheitliche Vermögensprüfung und schnelle Arbeitsmarktintegration unterstützen und nachhalten“). Bisher gelten für Bürgergeld-Berechtigte generell 40.000 EUR und für Sozialhilfe-Berechtigte 10.000 EUR als Vermögensfreigrenze. Auch diese massive Absenkung des geschützten Vermögensbetrages muss besonders gerechtfertigt werden. Auch dafür fehlt eine Rechtfertigung oder auch nur Begründung.

g) Der Rechtskreiswechsel kann Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung bedeuten. Sowohl der Standard der Leistungen nach gesetzlicher Krankenversicherung, als auch der Zugang zu Pflege- und Eingliederungshilfe-Leistungen wird im AsylbLG deutlich abgesenkt. Auch dies wäre besonders zu begründen und zu rechtfertigen.

2. Belastungen der Institutionen

a) Durch den Rechtskreiswechsel werden erhebliche finanzielle Lasten auf Länder und Kommunen verschoben. Unklar ist, wie die angekündigte Kompensation erfolgen soll.

b) Es ist eine Sache, Menschen am Anfang des Aufenthalts mit abgesenkten Leistungen zu belasten, etwas ganz anderes, Menschen, von bereits regulären Leistungen wieder auf abgesenkte Leistungen herabzustufen. Hinsichtlich der vom Gesetzentwurf betroffenen Personen ist daher verstärkt die Inanspruchnahme von Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten. Zudem müssen sie sich für die Weiterbewilligung auch noch an einen anderen Träger wenden. Entsprechende Verfahren wären im Hinblick auf die unter 1. beschriebene ungeklärte verfassungsrechtliche Situation nicht aussichtslos.

c) Weitere Streitpunkte außer den Regelbedarfen wären im Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung und die sehr viel strikteren Vermögensanrechnungsvorschriften zu befürchten. Durch die erhebliche Absenkung der Vermögensfreibetragsgrenzen auf das Niveau von § 7 Abs. 5 AsylbLG würde ein Teil der bisherigen Empfänger aus dem Leistungsbezug komplett ausscheiden. Dies dürfte eine erhebliche Zahl gerichtlicher Verfahren nach sich ziehen und schwierige Fragestellungen bedingen, etwa die zur Bedarfsdeckung aktuelle Zugriffsmöglichkeit auf Vermögen im Kriegsgebiet.

d) Durch den beschriebenen Anreiz, auf Asylverfahren auszuweichen, sind Mehrbelastungen der Verwaltung (insbesondere BAMF) und auch der Verwaltungsgerichte zu erwarten.

3. Übergangsregelungen/Datenaustausch

Sofern die unter 1. und 2. aufgeführten Erwägungen keine Berücksichtigung finden sollten, ist zumindest die Berücksichtigung von Übergangsfristen als sinnvoll anzusehen, allein schon um möglichen verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverboten Rechnung zu tragen.

Auch eine explizite Regelung zum Datenaustausch ist generell zu begrüßen, um ansonsten mehrfach erforderliche Datenerhebungen zu vermeiden.

III. Einzelanmerkungen

1. Art. 1 Nr. 2

In Art. 1 Nr. 2 ergibt sich eine sprachliche Ungenauigkeit bei § 66b SGB II RefE. Soweit in Satz 1 „Eingliederungsleistungen“ genannt werden, sollen damit wohl nicht die Eingliederungsleistungen nach dem SGB IX gemeint sein. In der Bezugsvorschrift des § 66 SGB II wird von „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ gesprochen. Diese Formulierung sollte auch in § 66b SGB II einfließen.

2. Art. 3

Die Intention, durch die Aufnahme von Leistungen nach § 4 AsylbLG zukünftige Beitragsrückstände zu vermeiden, ist zwar nachvollziehbar. Die im Entwurf vorgesehene Änderung des § 5 Abs. 8a SGB V bewirkt aber faktisch den Ausschluss der obligatorischen Anschlussversicherung (§ 188 Abs. 4 SGB V) für AsylbLG-Berechtigte. Betroffen sind insbesondere Geduldete und Geflüchtete aus der Ukraine, die vorübergehend sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und nun wieder hilfebedürftig sind. Anders als die bisher in § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V genannten anderweitigen Absicherungen entspricht § 4 AsylbLG nicht dem Schutzniveau der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern sieht nur eine Akutversorgung vor. Dies erscheint im Hinblick auf die möglicherweise noch lange Verweildauer der Betroffenen in Deutschland zumindest zweifelhaft. Die Norm des § 4 AsylbLG kann aber jedenfalls auch nicht ohne einen zusätzlichen Verweis auf die Auffangvorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 AsylbLG in Bezug genommen werden.

Darüber hinaus löst der Entwurf die Problematik bereits aufgetretener Beitragsrückstände und des daraus teilweise resultierenden Leistungsruhens nicht hinreichend. Der bloße Verweis auf einen möglichen Erlass durch die Krankenkassen erscheint nicht ausreichend, zumal hier in der Praxis noch zahlreiche Rechtsstreitigkeiten anhängig sind. Hier wären Vorgaben für einen solchen Erlass (gesetzlich vorgesehener obligatorischer Erlass) und, sofern entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung an dem Zuständigkeitswechsel für die Gesundheitsversorgung festgehalten werden sollte, Regelungen zu einer Rückabwicklung/Beendigung bereits bestehender Versicherungsverhältnisse nach dem SGB V, zu einer Aufhebung des bestehenden Leistungsruhens, zu Abrechnungsmodalitäten zwischen den Trägern bei Leistungserbringung in Doppelkonstellationen bei bereits erbrachten Leistungen (z. B. unter Nutzung bestehender § 264 SGB V-Strukturen) sowie solche zur Einführung von Prüf- und Mitteilungspflichten zu treffen, wobei die Krankenkassen bei Hinweisen auf AsylbLG-Leistungen den § 188 SGB V-Status proaktiv prüfen müssten, gleichzeitig aber entsprechende Mitteilungspflichten der Erbringer dieser Leistungen zu Beginn und Ende von Leistungsansprüchen auf Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 AsylbLG vorgesehen werden müssten.

IV. Anmerkungen zu perspektivischen Ausweitungen des Rechtskreiswechsels

Soweit in der öffentlichen Diskussion über den vorliegenden RefE hinaus ein Rechtskreiswechsel für alle Geflüchteten aus der Ukraine vorgeschlagen wird, tritt der Deutsche Sozialgerichtstag dem entgegen.

Dies würde zu einer erheblichen Verschärfung der bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken führen. Es dürfte kaum inhaltlich zu rechtfertigen sein, Personen, die sich schon mehrere Jahre im Bundesgebiet aufhalten und sich integriert haben (soweit es sich dabei nicht um Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene handelt), die bisherigen Leistungen und eine umfassende, nicht nur auf die Behandlung von Akuterkrankungen und Schmerzuständen nach § 4 AsylbLG beschränkte Gesundheitsversorgung vorzuenthalten. Angesichts der restriktiven Grundhaltung des AsylbLG, das darauf abzielt, durch Umfang und Form der Grundleistungen materielle Anreize für eine illegale Einreise zu beseitigen und die Weitergabe von Sozialleistungen an Schlepperorganisationen zu verhindern (so die ursprüngliche Intention des AsylbLG), soll dieses gerade nicht vordringlich, sondern höchstens hilfsweise die dauerhafte Integration fördern und dient der vorübergehenden Existenzsicherung während des Asylverfahrens. Durch den Rechtskreiswechsel dürfte die dauerhafte Integration gerade nicht nachhaltig gefördert werden. Es wird eher im Gegenteil das Signal gesendet, dass eine Integration und eine dauerhafte Zuwanderung gerade nicht gewollt ist. Nur am Rande sei angemerkt, dass bisher die Zuwanderung der letzten Jahre den sich vollziehenden demographischen Wandel und auch die damit verbundenen Probleme bei der Finanzierung sozialstaatlicher Beitragsleistungen erheblich abgemildert hat.

Der (wohl) erhoffte Effekt, dass geringere Leistungen gewährt werden können, dürfte bei Ukrainern, die mit der ersten „Flüchtlingswelle“ am Anfang des Krieges gekommen sind, überhaupt nicht greifen, denn auch die verlängerte Frist in § 2 Abs. 1 AsylbLG ist da mittlerweile abgelaufen. Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung des Aufenthalts wird man insoweit kaum geltend machen können. Selbst wenn das Bundessozialgericht dabei eine abstrakte Betrachtungsweise vornimmt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2021, B 7 AY 2/20 R, Rn. 21), läge keine Beeinflussung vor, da schließlich die ganze Zeit eine Abschiebung nicht möglich war.

Im Hinblick auf die große Zahl der Betroffenen würde ein vollständiger Rechtskreiswechsel außerdem zu erheblichen Verwerfungen bei den bisherigen und zukünftigen Trägern führen und insbesondere auch zu einer noch stärkeren Belastung der Länder und Kommunen.

Kassel, 18.08.2025

Michael Löher

Präsident des Deutschen Sozialgerichtstages