Stellungnahme zum Entwurf einer Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERV)

Der Deutsche Sozialgerichtstag e. V. gibt die nachfolgende, unter Mitwirkung der Kommission Verfahrensrecht erstellte Stellungnahme ab.

Künftige Gesetzeslage

Im Hinblick auf die zum 01.01.2018 in Kraft tretenden Regelungen u. a. des § 65a SGG erlauben wir uns, zunächst einige Vorbemerkungen zur künftigen Gesetzeslage zu machen: In § 65a SGG werden künftig zwar Regelungen über die Übermittlung von Dokumenten zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts einerseits und zwischen dem elektronischen Postfach einer Behörde bzw. einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts andererseits enthalten sein, es fehlt aber eine entsprechende Regelung für ein elektronisches Postfach der in den Fachgerichtsbarkeiten als Prozessbevollmächtigte auftretenden Verbände (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 SGG).

Es ist für den Deutschen Sozialgerichtstag e. V. unverständlich, dass der Gesetzgeber die Prozessvertretung durch Verbände bei der Formulierung der Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr bisher offenbar nicht im Blick hatte. Hier böte sich für den Gesetzgeber an, noch vor Inkrafttreten der Neuregelungen zum 01.01.2018 von der u. a. in § 65a Abs. 4 Nr. 2. SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, einen Übermittlungsweg mit einem „entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach“ zu eröffnen.

Nur personalisierte Anwaltspostfächer; keine Kanzleipostfächer

Ebenfalls zu kritisieren ist, dass der Gesetzgeber bislang die Einrichtung besonderer elektronischer Anwaltspostfächer nur in personalisierter Form zulässt, nicht aber so genannte Kanzleipostfächer. Solche Kanzleipostfächer werden nicht nur von anwaltlicher Seite gefordert, auch für die Gerichte erwarten wir bei der Kommunikation über einen vom Gericht ausgewählten, so genannten „Ansprechpartner“ erhebliche praktische Probleme bei der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Dokumente. Insbesondere bei Ausscheiden des vom Gericht gewählten Ansprechpartners aus der Kanzlei oder gar dessen Tod könnten gerichtliche Übermittlungen „im Nichts“ landen. Hinzu kommt, dass nur die Einrichtung eines Kanzleipostfachs dem bisher üblichen und bewährten Geschäftsablauf im Schriftverkehr mit Anwaltskanzleien entspräche. Hier sollte deshalb eine Lösung gefunden werden, wie sie in § 8 ERV-E für den Zugang und die Zugangsberechtigungen zum Behördenpostfach vorgesehen ist.

Reduzierung zugelassener Dateiformate

In § 2 Abs. 1 ERV-E erfolgt eine Reduzierung der zugelassenen Dateiformate auf die Formate PDF und TIFF. Dies ist aus Gründen der Absicherung gegen Hackerangriffe zu begrüßen. Allerdings sollte außerdem ausgeschlossen werden, dass in ein PDF-Dokument andere Dateiformate oder aktive Inhalte, die zu solchen Angriffen genutzt werden könnten, eingebettet werden können. Wenn die elektronisch übermittelten Dokumente in durchsuchbarer, druckbarer und kopierbarer Form zu übersenden sind, müssen diese Anforderungen auch für die gerade im sozialgerichtlichen Verfahren bedeutsamen, von den Sozialleistungsträgern künftig ebenfalls elektronisch zu übersendenden Verwaltungsakten gelten, damit diese für die richterliche Bearbeitung ohne Medienbrüche und unnötigen Arbeitsaufwand nutzbar gemacht werden können. Hier wäre eine entsprechende Ergänzung von § 2 ERV-E wünschenswert.

Containersignaturen

Begrüßt wird von uns ebenfalls, dass die so genannten Containersignaturen, die in der gerichtlichen Praxis erhebliche Probleme bereitet haben, weil die Überprüfung der Signatur nur anhand der vollständigen Nachricht möglich war, nicht aber anhand des einzelnen, darin enthaltenen Dokumentes, nach § 4 Abs. 2 ERV-E künftig nicht mehr zulässig sein sollen.

Zulassung neuer Dateiformate

Problematisch erscheint der nur aus der Begründung zu § 5 ERV-E zu entnehmende Umstand, dass neue Versionen von grundsätzlich zulässigen Dateiformaten „grundsätzlich frühestens ein Jahr nach Inverkehrbringen für die Übermittlung an die Gerichte zugelassen werden“ sollen. In Anbetracht der regelmäßigen und in mehr oder weniger automatisierten Verfahren erfolgenden Aktualisierungen derartiger Softwareprodukte könnte sich das Problem ergeben, dass in einer neueren, noch nicht nach § 5 Abs. 1 ERV-E zugelassenen Dateiversion übermittelte Dokumente gemäß § 65a Abs. 6 SGG bzw. den entsprechenden Regelungen der anderen Verfahrensordnungen als „für die gerichtliche Bearbeitung nicht geeignet“ behandelt werden müssten. Eine solche Verfahrensweise widerspräche jedoch der mit der Einführung und Weiterentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs beabsichtigten Beschleunigung gerichtlicher Verfahren.