Stellungnahme des Deutschen Sozialgerichtstages e.V. (DSGT) zum Referentenentwurf des Ministeriums für Verteidigung für ein Gesetz über die Entschädigung der Soldatinnen und Soldaten und zur Neuordnung des Soldatenversorgungsrechts

Das vorliegende Gesetzesvorhaben ist sehr umfangreich und aufgrund der vielfältigen Änderungen sehr komplex. Unter Beachtung der vorhandenen zeitlichen und personellen Ressourcen kann die Stellungnahme nicht umfassend auf das gesamte Vorhaben eingehen.

Der Schwerpunkt der Arbeit der zuständigen Kommission des DSGT liegt im Recht der Sozialen Entschädigung bzw. bei den Regelungen im SGB IX. Auf diese Gesichtspunkte soll sich auch die Stellungnahme begrenzen und damit auf die allgemeinen Vorschriften. Hingegen wurden die konkreten Leistungsansprüche nicht vertieft betrachtet.

Die Neuregelung der Entschädigung der Soldatinnen und Soldaten in einem selbständigen Gesetz und damit die Herausnahme aus dem SGB XIV führt dazu, dass es im Sozialgesetzbuch eine weitere spezielle Regelung gibt, welche dem Sozialen Entschädigungsrecht zugerechnet werden kann und selbst wiederum an manchen Stellen Anleihen im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung nimmt. Unabhängig von einer Bewertung der grundlegenden Entscheidung für eine gesonderte Gesetzgebung führt die Steigerung der Komplexität des Rechts in diesem Bereich zu Fragestellungen, welche die Verwaltung und die Sozialgerichte über einen längeren Zeitraum beschäftigen werden, bis eine Klärung herbeigeführt werden kann.

Gleichzeitig bleibt das Entschädigungsrecht für Soldatinnen und Soldaten allerdings ein Teil des Sozialgesetzbuches mit dem einschlägigen Verfahrensrecht nach dem SGB X und der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit. Der DSGT stimmt dieser Eingliederung in das Sozialrecht ausdrücklich zu und sieht viele Vorteile darin, an die bewährte Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für diese Fallgestaltungen anzuknüpfen, wobei insbesondere die Klägerfreundlichkeit des Sozialgerichtsgesetzes eine große Erleichterung für die Betroffenen sein dürfte.

§ 3 SEG-E

– Entbehrliche Regelungen aufgrund der Einordnung als besonderes Sozialgesetzbuch

Unter Beachtung der Einordnung als besonderes Sozialgesetzbuch und dem Verweis auf das Erste Buch – Sozialgesetzbuch und das Zehnte Buch – Sozialgesetzbuch in § 60 SEG-Entwurf dürfte die Regelung in § 3 SEG-Entwurf entbehrlich sein. Einen umfassenden Gesetzesvorbehalt (§ 3 Satz 1 SEG-Entwurf) kennt bereits § 31 SGB I. Ein Grund für die Wiederholung ist nicht ersichtlich. Auch aufgrund der Regelungen für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 53 Abs. 2 SGB X dürfte kein weiteres Bedürfnis für besondere Regelungen im SEG-Entwurf bestehen.

Ein Vergleich nach § 3 Satz 2 SEG-Entwurf dürfte im außergerichtlichen Verfahren ebenfalls ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sein und so eine weitere Regelung im Gesetz nicht erforderlich sein. Ein Grund für den Ausschluss von gerichtlichen Vergleichen ist nicht erkennbar. Die Regelungen über die Zusicherung in § 34 SGB X bedürfen nach unserer Einschätzung keiner weiteren Ergänzung. Die Regelung in Satz 2 dürfte somit insgesamt entbehrlich sein.

Der Anwendungsbereich von § 3 Satz 3 SEG-Entwurf erschließt sich auch unter Berücksichtigung der Begründung auf S. 235 nicht. Hier sollte der Regelungszweck zumindest aus der Begründung deutlicher werden.

Der Hinweis in der Begründung (S. 235) auf die fehlende Notwendigkeit einer Regelung für den Verzicht ist im Ergebnis auch für die gesamte Regelung in § 3 SEG-Entwurf einschlägig; sie könnte gestrichen werden.

§ 4 SEG-E

– unglückliche Formulierung

Die Regelung über den Vorrang gegenüber dem SGB XIV ist in § 4 SEG-Entwurf nicht ganz systematisch. Ausgehend von der Struktur eines Schädigungsfalls im sozialen Entschädigungsrechts mit einem schädigenden Ereignis, dem Gesundheitsschaden und den möglichen Schädigungsfolgen greift die Regelung den Begriff: „derselben Ursache“ auf. Hier dürfte sich hingegen anbieten, auf „dasselbe Ereignis“ abzustellen. Eine solche Begrifflichkeit findet sich bereits in § 8 Abs. 1 SGB XIV.

Es stellt sich die Frage, warum nicht ein genereller Vorrang gegenüber allen sonstigen Leistungen (vgl. § 28 Abs. 1 SGB XIV) geregelt wird. Ein solcher würde sich unter Beachtung der Systematik anbieten.

§§  5, 9, 87 SEG-E

– Kausalität und weitere Fragen

Der weitgehende Gleichlauf mit dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist grundsätzlich zu begrüßen, da wichtige Fragen zum Unfallbegriff, zu Berufskrankheiten und zur Kausalität durch eine langjährige Rechtsprechung geklärt wurden.

Hinsichtlich der Kausalität wird auf die Ausformungen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung zurückgegriffen und in § 9 SEG-E diese gesetzlich normiert. Hier stellt sich die Frage, warum bei einem schädigenden Ereignis im Auslandseinsatz besondere Regelungen zur Kausalität in § 87 Abs. 3 SEG-E durch Rechtsverordnung getroffen werden können. Es dürfte sich unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung anbieten, solche Vermutungen zur Kausalität für alle Soldatinnen und Soldaten unabhängig vom Einsatz im Ausland aufzustellen. Die Einsatzunfallverordnung sollte bei einer Neukodifikation auch systematisch in das neue Gesetz aufgenommen werden. Der Platz für solche Regelungen ist § 9 SEG-E und nicht eine Verordnung nach § 87 Abs. 3 SEG-E. Hieraus könnte sich nunmehr auch klarer ergeben, was bei Widersprüchen zur VersMedV, welche im Teil C selbst Aussagen über die Kausalität trifft, gelten soll.

In § 4 Abs. 5 SGB XIV wird die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12. Juni 2003 – B 9 VG 1/02 R) zur „bestärkten Wahrscheinlichkeit“ gesetzlich kodifiziert. Es dürfte sich anbieten, im Sinne der Einheitlichkeit des Sozialen Entschädigungsrechts diese Regelung zur Kausalität im SEG mit aufzunehmen.

Darüber hinaus dürfte die Regelung in § 9 Abs. 3 und 4 SEG-E (Berufskrankheiten) systematisch ihren Platz in § 5 SEG-Entwurf haben. Unter der Überschrift Beweismaßstab ist hingegen eine solche Regelung nicht zu erwarten.

– § 11 SEG-E

Die Regelung orientiert sich zwar an § 5 SGB XIV-Entwurf. Indes möchten wir hierzu eine Anregung geben. Die Norm berücksichtigt u.E. nicht hinreichend das Wechselwirkungskonzept, das dem modernen Behinderungsbegriff nach 2 Abs. 1 SGB IX zu Grunde liegt, welcher sich wiederum stützt auf die UN-BRK und das bio-psycho-soziale Modell der WHO.

– § 12 SEG-E

Die Zusammenführung der Entscheidung über die Schädigungsfolgen für die Zeit während des Dienstverhältnisses und nach der Beendigung des Dienstverhältnisses wird ausdrücklich begrüßt, da hiermit eine erhebliche Verfahrensvereinfachung herbeigeführt wird.

Allerdings könnte die Vorschrift mit Blick auf § 14 SGB IX Missverständnisse bzw. Unklarheiten hervorrufen. Denn danach gilt gemäß ständiger Rechtsprechung des BSG eine umfassende Bedarfsfeststellungspflicht des leistenden Rehabilitationsträgers, unabhängig vom konkreten Wortlaut des Antrags.

– § 17 Abs. 2 Nr. 1 SEG-E

Die darin enthaltene Zielbeschreibung lässt in der gegenwärtigen Formulierung die – im SGB IX vorgesehene – Orientierung auf die Teilhabe vermissen.

– § 23 Abs. 5 SEG-E

Diese Regelung ist sehr anspruchsvoll und dürfte in der Praxis erhebliche Anwendungsprobleme bereiten. Hierzu darf auf die Rechtsprechung zur vergleichbaren Regelung in § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB VII verwiesen werden.

– § 28 Abs. 1 SEG-E

Die Sonderregel steht bisher unverbunden neben dem (wegen § 7 Abs. 2 SGB IX vorrangigen) § 14 SGB IX. § 24 SGB IX reicht u.E. als Kollisionsnorm nicht ohne weiteres aus, weil diese Vorschrift nur vorläufige Leistungen betrifft, die hier allerdings (womöglich) nicht gemeint sind.

– § 70 SEG-E

Das Regelungsanliegen „Fallmanagement“ wird dem Grunde nach befürwortet. Allerdings ist bereits die im Vergleich zu § 30 SGB XIV wesentlich allgemeinere Fassung der Vorschrift problematisch, weil dadurch ein weiteres Sonderrecht geschaffen wird. Deshalb fallen hier auch fehlende Verknüpfungsregeln mit den wegen § 7 Abs. 2 SGB IX vorrangigen Vorschriften der §§ 19ff. SGB IX umso mehr ins Gewicht, z.B. betreffend die Rolle eines/r Fallmanagers/in bei einer Teilhabeplankonferenz.

– § 75 SEG-E

Bereits hier könnte eine Klarstellung erfolgen, dass bzw. inwieweit die Aufgaben als Reha-Träger (mit) gemeint sind (vgl. auch die Anmerkung zu § 6 SGB IX-Entwurf).

– § 4c Abs. 1 und Abs. 2 UVBBErG

Die vorgesehenen Regelungen lassen u.E. offen, welche der genannten Stellen nun als Reha-Träger fungieren soll. Angenommen wird, dass die Reha-Träger-Eigenschaft der zuständigen Stelle der Bundeswehrverwaltung zukommen soll. Dies sollte klargestellt werden.

– Änderung des § 6 SGB IX fehlt.

Davon ausgehend, dass der Träger der Soldatenentschädigung (weiterhin) als Reha-Träger angesehen wird, wäre die Aufzählung in § 6 SGB IX um die Träger der Soldatenentschädigung zu ergänzen.