Schreiben an Bundesministerin Christine Lambrecht – Pfändung von Corona-Soforthilfen

Sehr geehrte Frau Ministerin,

der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) greift als interdisziplinärer Fachverband die Problematik der Pfändung von Corona-Soforthilfen zur Existenzsicherung von Selbständigen und kleinen Unternehmen auf, die Ihnen vom Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD) bereits nahegebracht wurde. Das Vorbringen des SoVD in dem uns vorliegenden Schreiben vom 25. Mai 2020 unterstützen wir.

Uns liegt auch die Antwort Ihres Hauses vom 12. Juni 2020 an den Präsidenten des SoVD vor. Dort heißt es, das Absehen von einem gesetzlich geregelten Pfändungsschutz für Corona-Soforthilfen an Selbständige und kleine Unternehmen sei vertretbar, weil die Betroffenen im Einzelfall gerichtlichen Pfändungsschutz geltend machen könnten.

Abgesehen davon, dass diese Argumentation die Problematik auf die ohnehin  und jetzt durch die Folgen der Pandemie noch zusätzlich hochbelastete Justiz verlagert, wird sie auch materiell-rechtlich dem Sinn und Zweck der Soforthilfen nicht gerecht, sondern verkehrt deren Sinn geradezu. Es kann nicht gewollt sein, dass zum einen Selbständigen und kleinen Unternehmen zur Abfederung pandemiebedingter wirtschaftlicher Einbußen Finanzhilfen gewährt werden, andererseits die davon Begünstigten, die vor der Krise ein Pfändungsschutzkonto hatten, in der Gefahr stehen, diese existenzsichernden Hilfen durch Pfändung gleich wieder zu verlieren.

Nach unserem Verständnis wollte der Gesetzgeber mit den Corona-Soforthilfen die pandemiebedingte Existenzbedrohung Selbständiger abwenden, nicht die Durchsetzung von Gläubigerforderungen mittels dieser Hilfen ermöglichen. Damit hätte konsequenterweise die Regelung von Pfändungsfreiheit der Soforthilfen einhergehen müssen. Die betroffenen Unternehmen und Selbständigen auf die Möglichkeit der Einholung gerichtlichen Rechtsschutzes zu verweisen halten wir für inakzeptabel und für unvereinbar mit dem Sinn und Zweck der Soforthilfen. Bis zu einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung stünden die Hilfen gerade nicht zur Kompensation der durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe zur Verfügung; allein diese Verzögerung wird die Existenz vieler Unternehmer vernichten.

Der DSGT fordert deshalb Sie, Frau Ministerin, auf, den Standpunkt Ihres Hauses zu überdenken und sich dafür einzusetzen, dass die gesetzliche Lücke eines Pfändungsschutzes in Form einer Regelung über die vorübergehende Pfändungsfreiheit der Corona-Soforthilfen zur Existenzsicherung von Selbständigen und kleinen Unternehmen schnell geschlossen wird.

Der SoVD hat hierzu eine von uns mitgetragene Ergänzung der Zivilprozessordnung vorgeschlagen, die an dieser Stelle wiederholt wird:

                        § 850 k, Abs. 2 Nr.4 (neu):

                        „Corona-Soforthilfen von Bund und Ländern oder

                        vergleichbare Hilfen in Krisenzeiten.“ 

Wir meinen, dass dies eine praktikable Lösung wäre, zumal die bewilligende Stelle auch die nach § 850 k Abs. 5 Satz 2 ZPO erforderliche Bescheinigung ohne Weiteres ausstellen kann.

Auch die Berücksichtigung des hier fraglichen gesetzlichen Pfändungsschutzes im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum PfändungsschutzkontoFortentwicklungsgesetz kommt in Betracht.

Wir wenden uns parallel auch an den Bundeswirtschaftsminister.

Mit freundlichen Grüßen

Monika Paulat

Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstages e.V.