Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (7. SGB IV-ÄndG)

Referentenentwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (7. SGB IV-ÄndG)
Ihr Schreiben vom 2. Oktober 2019 – Aktenzeichen: IVa 5 – 41630/2

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) bedankt sich für die Möglichkeit, zu diesem Referentenentwurf Stellung zu nehmen.

Der Referentenentwurf betrifft neben dem SGB IV nahezu alle weiteren Bücher des Sozialgesetzbuchs in jeweils sehr unterschiedlichem Umfang sowie diverse weitere Gesetze und Verordnungen. Der Vorstand des DSGT hat daher seine zu den einzelnen Büchern des SGB und für das Verfahrensrecht eingerichteten Kommissionen mit dem Gesetzentwurf befasst und seine Stellungnahme auf der Grundlage der aus den Kommissionen abgegebenen Äußerungen erarbeitet. Aufgrund der leider sehr kurzen für die Stellungnahme zur Verfügung stehenden Zeit können zu den beabsichtigten Änderungen aber leider nur einige wenige Anmerkungen gemacht werden:

zu Artikel 1 RefE (Änderung des SGB IV):

Gegen die beabsichtigten Änderungen des SGB IV, die im Wesentlichen Änderungen im Beitrags- und Melderecht betreffen, werden keine Einwendungen erhoben.

Allerdings wird angeregt, gegebenenfalls in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren, die Anregung des Bundessozialgerichts (BSG) aus der Entscheidung vom 26.02.2019 (B 12 KR 8/18 R, Rn. 23) aufzugreifen und § 7a SGB IV sowie § 55 SGG dahingehend zu ändern, dass im Rahmen des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV (allein) eine Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses getroffen wird. Dadurch würde das Statusfeststellungsverfahren auf seinen eigentlichen Zweck zurückgeführt, eine zeitnahe und umfassende Klärung der die Beteiligten regelmäßig allein interessierenden Frage nach dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu ermöglichen. Die aktuelle Rechtslage (seit der grundlegenden Entscheidung des BSG vom 11.03.2009 – B 12 R 11/07 R – zur Unzulässigkeit einer Elementenfeststellung und Erforderlichkeit der Prüfung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung) ermöglicht nicht in allen Fallgestaltungen eine umfassende Klärung (siehe hierzu den Sachverhalt, der der Entscheidung des BSG vom 26.02.2019, a.a.O., zugrunde gelegen hatte).

zu Artikel 2 RefE (Änderung von § 47 Abs. 1 SGB I):

§ 47 SGB I soll nach dem Modell von § 42 Abs. 3 SGB II geändert werden. In der aktuellen Fassung sieht § 47 SGB I vor, dass der Sozialleistungsträger Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfängers überweisen soll. Das BSG legt diese Vorschrift dahingehend aus, dass es genügt, dass der Leistungsberechtigte Verfügungsberechtigter des Kontos ist, auf das die Geldleistung überwiesen wird (BSG, 25.01.2001, B 4 RA 48/99). Wenn der Empfänger das verlangt, soll der Sozialleistungsträger die Geldleistung kostenfrei an seinen Wohnsitz innerhalb Deutschlands übermitteln.

Durch die Änderung soll der Wohnsitz (§ 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I) um den gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) ergänzt werden.

Sodann soll die Vorgabe, dass es sich um ein Konto handelt, für das der Leistungsberechtigte mindestens verfügungsberechtigt ist, entfallen. Stattdessen soll künftig auf das „im Antrag angegebene Konto“ überwiesen werden. Dies entspricht der Formulierung in § 42 Abs. 3 Satz 1 SGB II.

Bewertung

Die Ergänzung in § 47 SGB I um den gewöhnlichen Aufenthalt ist sinnvoll. Die darüberhinausgehenden Änderungen der Vorschrift sollten unterbleiben.

Im Einzelnen:

Die Ergänzung von § 47 SGB I um den gewöhnlichen Aufenthalt ist zu begrüßen.

Die Regelung, nach der Geldleistungen auf das „im Antrag angegebene“ Konto überwiesen werden sollen, ist bereits deshalb nicht sinnvoll, weil das Sozialleistungsrecht keine Formerfordernisse für Anträge vorsieht. Ein Antrag auf eine Sozialleistung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die zum Beispiel die Nennung eines Girokontos nicht umfasst. Darüber hinaus kennt das Sozialleistungsrecht Geldleistungen, für die ein Antrag gar nicht erforderlich ist, zum Beispiel die Leistungen der wirtschaftlichen Grundsicherung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Zwar unterscheidet die Praxis oft nicht zwischen dem Antrag und dem Mitwirkungsformular, dessen Rechtsgrundlage sich in § 60 Abs. 2 SGB I findet. Der Gesetzgeber sollte dieser Ungenauigkeit, die sich leicht zulasten von Leistungsberechtigten auswirken kann, jedoch nicht durch rechtssystematisch nicht sinnvolle Formulierungen Vorschub leisten.

Entscheidend ist jedoch, dass mit der Änderung die Vorgabe aufgegeben werden soll, nach der der Sozialleistungsträger Geldleistungen nur auf ein Konto überweisen soll, für das die leistungsberechtigte Person verfügungsberechtigt ist. Im Leistungsbereich des SGB II wirkt sich dieser Effekt wegen § 38 SGB II nicht aus. Das SGB II umfasst ohnehin eine – sozialpolitisch durchaus problematische – Regelung, nach der von Gesetzes wegen vermutet wird, dass die Person, die den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellt, bevollmächtigt ist, die Leistungen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in deren Namen entgegenzunehmen. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass eine Ehefrau nur in dem Maß Zugriff auf Leistungen nach dem SGB II erhält, in dem ihr Ehemann ihr Bargeld zur Verfügung stellt. Da die gesetzliche Vermutung aus § 38 SGB II weiter geht als die Regelung aus § 42 Abs. 3 SGB II, kommt es auf diese aber in aller Regel nicht mehr an.

Die Änderung von § 47 SGB I würde jedoch dazu führen, dass alle Geldleistungen auf das Konto zu überweisen sind, das die leistungsberechtigte Person, gegebenenfalls vertreten durch einen gesetzlichen Betreuer oder einen Bevollmächtigten, angibt. Eine solche Regelung würde dem Missbrauch durch Bevollmächtigte, Betreuer oder (vermeintliche) Vertrauenspersonen Tür und Tor öffnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ehrenamtliche Betreuer von der Rechnungslegungspflicht befreit sind §§ 1908i Abs. 2 Satz 2 BGB), also durch das Betreuungsgericht eine Kontrolle in aller Regel nicht stattfindet.

Die Änderung von § 47 SGB I würde den Sozialleistungsträgern ein Mittel aus der Hand nehmen, dessen sie zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrages aus § 17 SGB I bedürfen. Das BSG hat herausgearbeitet, dass Sozialleistungsträger „verfassungs- und sozialverwaltungsrechtlichen Schutz“ gewähren müssen, wenn der Verdacht besteht, dass „der Berechtigte die geschuldeten Rentenbeträge wegen einer […] widerrechtlichen Dritteinwirkung bei Auszahlung nicht erhalten wird“ (BSG, 25.01.2001, B 4 RA 48/99 Rn. 36). Das BSG nimmt hier Bezug auf den Sicherstellungsauftrag aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Diese Ausführungen sind auch auf andere Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (§ 11 SGB I) zu übertragen.

Der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages dienen auch die Abtretungsverbote aus § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (für Leistungen der Sozialhilfe), § 42 Abs. 4 Satz 1 SGB II (für Leistungen nach dem SGB II), § 107 Abs. 1 SGB IX (für die Leistungen der Eingliederungshilfe) und das eingeschränkte Abtretungsverbot für alle Sozialleistungen aus § 53 Abs. 2 SGB I. Die avisierte Änderung von § 47 SGB I ermöglicht eine Umgehung dieser Abtretungsverbote, die den Schutzzweck, der mit ihnen verfolgt wird, konterkariert.

Schließlich sieht Art. 2 des Gesetzentwurfs vor, dass die Kosten für die bare Übermittlung von Geldleistungen durch den Leistungsberechtigten zu tragen sind, soweit dieser nicht nachweist, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist. Auch dies gilt wegen § 42 Abs. 3 Satz 3 SGB II für die Grundsicherung für Arbeitsuchende bereits de lege lata. Die Vorschrift ist mit dem Grundsatz, dass negative Tatsachen nicht zu beweisen sind (negativa non sunt probanda) nicht zu vereinbaren. In der Begründung führt das Ministerium aus, der Verschuldensbegriff sei weit auszulegen, sodass zum Beispiel „ältere Leistungsempfänger“, denen „aufgrund unzureichender Infrastruktur oder wegen Mobilitätseinschränkung eine Konteneröffnung“ nicht möglich ist, nicht mit den Kosten der baren Übermittlung belastet werden sollen. Der Entwurf gibt aber keine Antwort auf die Frage, wie es gerade diesen Personen möglich sein sollte, die Unmöglichkeit der Kontoeröffnung nachzuweisen.

Darüber hinaus ist die Vorschrift vor allem aus wirtschaftlichen Gründen wenig sinnvoll. Sie erfordert, dass der Sozialleistungsträger die tatsächlichen Kosten der baren Auszahlung ermittelt und nachweist. Eine pauschale Geltendmachung von Kosten ist nicht statthaft (SG Dresden-Roßlau, 18.07.2017, S 14 AS 1723/16). Dazu kommt, dass die Entscheidung über den Abzug von Kosten, die dadurch veranlasst werden, dass Geldleistungen nicht auf ein Konto überwiesen, sondern an den Wohnsitz des Leistungsberechtigten übermittelt werden, durch Verwaltungsakt zu erfolgen hat, denn sie unterfällt der Legaldefinition des § 31 SGB X (LSG Essen, 26.02.2018, L 7 AS 1/18 B ER). Es handelt sich um einen belastenden Verwaltungsakt, der einer Begründung bedarf (§ 35 SGB X). Die Begründung sollte im Regelfall die Darlegung der entstehenden Kosten umfassen. Es erscheint daher mindestens wahrscheinlich, dass die Solidargemeinschaft durch den Aufwand, der mit der durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzentwurfes vorgesehenen Änderung einhergeht, wirtschaftlich in sehr viel höherem Maße belastet wird als durch die Kosten der baren Übermittlung von Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch.

Die Erfahrungen mit § 42 Abs. 3 SGB II belegen darüber hinaus, dass die Vorschrift streitanfällig ist, was wegen des erforderlichen Nachweises der Unmöglichkeit nahe liegt. In der Praxis wird in einer relevanten Zahl von Fällen von der Möglichkeit des Rechtsbehelfs gegen die Kostenbelastung Gebrauch gemacht, was weitere Kosten verursacht, die in Anbetracht der Ersparnis der Solidargemeinschaft durch die avisierte Regelung deutlich unverhältnismäßig erscheinen.

zu Artikel 3 und 4 RefE (Änderungen des SGB II und des SGB III):

Gegen die vorgesehene Regelung des § 31a SGB III werden, soweit die Agenturen für Arbeit auch für die Information junger Menschen ohne berufliche Anschlussperspektive nach dem Schulbesuch, die sich im Leistungssystem des SGB II befinden, zuständig sein sollen, aus kommunaler Sicht Bedenken angemeldet.

Mit der beabsichtigten Einfügung eines § 31a in das SGB III soll der gesetzliche Beratungsauftrag der Agenturen für Arbeit um eine zusätzliche Informationsverpflichtung erweitert werden: Sie sollen nach der Vorstellung des Gesetzesentwurfs künftig junge Menschen, die nach Beendigung der Schule voraussichtlich keine konkrete berufliche Perspektive haben, frühzeitig aktiv kontaktieren und über Unterstützungsmöglichkeiten informieren. Dies betrifft auch Personen unter 25 Jahren im Geltungsbereich des SGB II, wenn sie „keine Perspektive“ haben.

In diesem Zusammenhang soll insbesondere eine Kompetenz der Arbeitsagenturen im Hinblick auf durch die Länder zu übermittelnde Daten geschaffen werden. Diese umfassen: Vorname, Name, Geburtsdatum, Anschrift, Geschlecht, voraussichtlich beendete Schulform oder Ersatzmaßnahme sowie erreichten Abschluss. Des Weiteren soll den Agenturen die Übermittlung von Sozialdaten an das jeweilige Land erlaubt werden, wenn der betreffende junge Mensch nach einem Kontaktaufnahmeversuch keine Unterstützungsmöglichkeit der Agentur für Arbeit in Anspruch nimmt.

Ein so weitgehender Vorschlag wird von den Kommunen strukturell abgelehnt. Kritikwürdig ist einmal die alleinige Zuständigkeitszuordnung an die Agenturen für Arbeit für die betreffenden jungen Menschen. Den Agenturen fehlt nicht zuletzt die Zugriffsmöglichkeit, die die Jobcenter über die SGB II-Mitwirkungspflichten haben. Hier entstünde wieder eine neue Schnittstelle, die sich in der Praxis als problematisch erweisen würde. Insbesondere in Anbetracht der vielfältigen Kooperation am Übergang Schule-Beruf (überwiegend unter dem Namen „Jugendberufsagentur“) erschließt sich ein solches Vorgehen überhaupt nicht. Vielmehr braucht es eine Informationspflicht der Arbeitsagenturen an das zuständige Jobcenter.

Die vorgesehenen Datenzugriffe lösen auf kommunaler Seite große Befürchtungen aus, dass die Bundesagentur für Arbeit sich schrittweise sämtlicher Sozialdaten bemächtigt und unkontrollierbar wird. Schon heute sind viele Bereiche kaum noch nachzuvollziehen. Insbesondere aber die Übergabe originärer Kommunaldaten der Schulen, deren Träger die Kommunen überwiegend sind, stoßen auf kommunale Ablehnung. Derartige Daten können nur an einem Ort sinnvoll kumuliert werden, nämlich in kommunaler Hoheit.

Gegen die vorgesehenen Änderungen des SGB III bezüglich der einzelnen Bescheinigungsverfahren (§§ 312 ff. SGB III) werden keine Einwendungen erhoben.

zu Artikel 5 und 6 RefE (Änderungen des SGB V und des SGB VI):

Gegen die vorgesehenen Änderungen des SGB V und SGB VI werden durch den Deutschen Sozialgerichtstag e. V. keine Bedenken erhoben.

zu Artikel 7 und 22 RefE (Änderung des SGB VII) und der Berufskrankheiten-Verordnung:

Hierbei handelt es sich um die schon seit Längerem zwischen den Sozialpartnern abgestimmten Änderungen des Berufskrankheitenrechts und zur Kodifizierung der Arbeit des Ärztlichen Sachverständigenbeirats. Gegen diese Regelungen werden seitens des Deutschen Sozialgerichtstags e. V. keine Bedenken geäußert.

Zur Frage der geplanten Änderungen des Dienstordnungsrechts wird auf die seitens des Spitzenverbandes DGUV geäußerten Bedenken hingewiesen, die prüfenswert erscheinen.

zu Artikel 8 RefE (Änderungen des SGB X):

Die Ergänzung von § 28 Abs. 1 SGB X durch eine Regelung, wonach eine wiederholte Antragstellung auch dann möglich ist, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird, ohne dass zunächst eine ablehnende Entscheidung oder gar deren Bindungswirkung abgewartet werden muss, ist zu begrüßen. Sie vermeidet unnötigen Verwaltungsaufwand, wenn der Leistungsberechtigte, z. B. nach entsprechender Beratung durch den Sozialleistungsträger, bereit ist, einen aussichtslosen Antrag zurückzunehmen und stattdessen einen Antrag auf die ihm voraussichtlich zustehende andere Leistung zu stellen.

Die in § 37 Abs. 2a SGB X vorgesehene Zugangsfiktion bei der elektronischen Zustellung von Verwaltungsakten durch Abruf wird aus Sicht der Sozialverwaltung begrüßt und betont, dass nach wie vor eine Beweislast der Behörde für den Zugang vorgesehen ist sowie im Gegensatz zur Vorgängerregelung nunmehr klargestellt wird, wann der Verwaltungsakt bei elektronischer Zustellung durch Abruf zugegangen ist bzw. als zugegangen gilt. Sie beseitigt das „Nullum“ der Vorgängerregelung, was denn mit einem Verwaltungsakt passiert, der innerhalb von 10 Tagen nicht abgerufen worden ist, bzw. das dort statuierte Erfordernis der erneuten Zustellung, gegebenenfalls auf andere Art und Weise. Begrüßt wird insbesondere die Klarstellung, dass die erteilte Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann.

Andererseits bestehen aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger, denen ein Bescheid über eine Leistungsbewilligung, eine Beitragsverpflichtung oder gar eine Erstattungsforderung bekannt gegeben werden soll, Bedenken dagegen, dass ihnen durch die Neuregelung nun die Verantwortung für die Bekanntgabe, die nach der allgemeinen Regel des § 37 Abs. 1 SGB X Aufgabe der Verwaltung ist, vollständig aufgebürdet wird. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn die betroffene Person, z. B. weil sie sich längere Zeit nicht am Wohnort aufhält, zwar die elektronische Mitteilung empfangen kann, ein Abruf des bekanntzugebenden Verwaltungsaktes über den authentifizierten Zugang aber vorübergehend nicht möglich ist. In derartigen Situationen würde die geplante Neuregelung auch zu einer faktischen Verkürzung der Rechtsbehelfsfrist führen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Bereitschaft, sich mit der Bekanntgabe durch Abruf einverstanden zu erklären, durch die beabsichtigte Neuregelung und die damit verbundene Risikoverlagerung auf den Empfänger eher sinken wird als dass sie gesteigert werden kann.

Den Ergänzungen in § 116 Abs. 6 SGB X um eine Ausnahme vom Haftungsprivileg für Angehörige bei Vorliegen einer gesetzlichen Pflichtversicherung und die Ausweitung des vom Haftungsprivileg betroffenen Personenkreises über Familienangehörige hinaus auf alle Personen, die in einem familiären Näheverhältnis in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schädiger leben, wird ausdrücklich zugestimmt.

zu Artikel 9 RefE (Gesetz zur Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten bei internationalen Organisationen in der Rentenversicherung):

In diesem Gesetzentwurf findet sich an mehreren Stellen die Formulierung „Krankenversicherung der Rentner“. Die bedingt verselbstständigte KVdR ist allerdings bereits mit dem RRG 1992 abgeschafft worden. Seither gibt es nur noch eine Versicherungspflicht als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr. 11 bis 12 SGB V). Es wird daher angeregt, die entsprechenden Formulierungen zu überarbeiten.

zu Artikel 10 RefE (Änderung des Sozialgerichtsgesetzes):

Der Erweiterung der Kreise der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in § 12 Abs. 3 und 16 Abs. 4 SGG wird zugestimmt, weil es bei diesen beiden Kreisen in der Praxis oft schwierig ist, ausreichend ehrenamtliche Richterinnen und Richter zu finden.

Sinnvoll erscheint auch die Neuregelung des § 75 Abs. 2b SGG zur Beiladung der Sozialversicherungsträger in Verfahren nach §§ 7a, 28h Abs. 2 und 28p SGB IV. Hierdurch kann eine gewisse Entlastung der Sozialgerichte und der Sozialversicherungsträger erreicht werden.

Aufgrund der Erwartung, dass im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens Änderungen am vorliegenden Referentenentwurf vorgenommen werden, wäre der Deutsche Sozialgerichtstag dankbar, wenn ihm zu gegebener Zeit erneut Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben würde.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Vorstand des Deutschen Sozialgerichtstags e. V.

gez. Monika Paulat
Präsidentin

gez. Susanne Weßler-Hoth
Vizepräsidentin